Irene ist die gute Seele im Vereinsheim

Seit über 30 Jahren ist sie die Mutter Teresa von Hagen 11. Sie erinnert sich an Feiern bis in die Morgenstunden und Striptease-Tänzerinnen.

Das Vereinsheim der SpVg. Hagen 11 am Lohe und Irene Wischnewski. Zwei Dinge, die einfach zusammen gehören. Seit über 30 Jahren steht sie hinter der Theke und hat dabei schon einiges erlebt.

Der Beginn

Ihr verstorbener Mann spielte selbst bei Hagen 11. „Ich habe bei Elbersdrucke gearbeitet, da waren auch einige Elfer. Die sprachen mich an, ob ich nicht die Pommesbude machen will. Aber da hatte ich ja gar keinen Draht zu.“ Sie ließ sich dennoch breitschlagen. Wie so oft in den folgenden Jahren. Aber schnell wurde klar: In der Pommesbude war die kleine, lebensfrohe Frau verschenkt. „Die muss hinter die Theke, die macht guten Umsatz, sagten sie“, erinnert sie sich mit ihrem unverkennbaren Lachen zurück. Seitdem hütet sie die Vereinskneipe. Und nur sie: „Logisch mach ich das alleine. Wenn es richtig voll ist helfen die Jungs mal mit, aber ich will da niemand anderen hinter haben.“

Früher war alles besser. Oder?

Öfters hat sie schon ans Aufhören gedacht, umgesetzt hat sie es nie. „Sobald ich damit anfange kommen immer alle und sagen: Nein, Irene, nein. Das kannst du nicht machen. Die Jungs sagen im Spaß immer, dass ich sowieso hundert Jahre alt werde.“ Aktuell zählt sie 68 Jahre.

„Wir haben auch schon mal um viertel vor neun morgens hier die Bude abgeschlossen. Eigentlich wollte ich ja immer Öffnungszeiten einhalten, aber das klappt sowieso nicht.“ Und hat sich die Feierkultur inzwischen verändert? „Seitdem hier nicht mehr so viel auf dem Ascheplatz gespielt und trainiert wird, ist es weniger geworden. Früher saßen hier doch noch mehr zusammen.“

Schlägereien gab es nie

Ob Weihnachtsfeiern, Geburtstage, Meisterfeiern: Das Vereinsheim gab und gibt Platz für alles. Vor allem wenn nebenan noch das BG-Turnier die Gäste anzieht, kann es auch schon mal im Vereinsheim voller werden. „Als das Basketballturnier ein Jahr mit der WM zusammenfiel war hier richtig was los. Am nächsten Tag habe ich erfahren, dass es 160 Gäste waren. Da bin ich fast hintenüber gefallen.“

Und die ein oder andere Party kam noch hinzu: „Bei einer Geburtstagsfeier gab es eine Striptease-Tänzerin. Da dachte ich vorher: Das kann ja nicht gut gehen. Aber die Jungs haben sich alle benommen“, erinnert sich Irene zurück und ergänzt: „Die sind alle in Ordnung, Schlägereien oder sowas hat es nie gegeben. Auf dem Platz konnten das die asozialsten Typen sein, aber im Vereinsheim sind sie lammfromm. Ich hab da immer klare Ansagen gemacht: Ihr könnt saufen bis der Arzt kommt, aber geprügelt wird sich nicht.“

Verschwiegenheit ist alles

Nebenbei erfährt die Bardame immer wieder Dinge, die sie gar nicht hören möchte. „Die Leute leiden nach dem Alkohol ja oft an einer Tagesdemenz. Wenn ich abends im Bett liege denke ich mir oft: Was hast du heute nicht schon wieder alles gehört, was du eigentlich gar nicht wissen möchtest.“ Aber eine eiserne Regel hat sie: „Es läuft alles unter dem Mantel der Verschwiegenheit. Manchmal fühle ich mich hier auch wie die Mutter Teresa für Arme.“

Blau-weißer Pony

Zu schade für die ein oder andere Wette ist sich die BVB-Anhängerin ebenfalls nicht: „Ich habe mal mit einem eingefleischten Schalke-Fan gewettet und verloren. Daraufhin bin ich wochenlang mit einem blau-weißen Pony rumgelaufen.“ Und vor der Meisterschaft ihrer Borussia färbte sie sich die Haare schwarz-gelb. „Da haben alle gesagt, dass es noch zu früh ist, dass man ja noch gar nicht sagen kann, ob sie wirklich Meister werden. Aber natürlich wurden sie es. Man muss auch mal was wagen, sonst ist es doch nicht lustig.“

Und der Spaß kam in all den Jahren nicht zu kurz. Mit langjährigen Elfer-Spielern wie Niklas Wilke besuchte sie Bundesliga-Spiele im Westfalenstadion in Dortmund. „Zu einem Geburtstag haben mir die Spieler einen BVB-Pulli mit meinem Namen geschenkt. Den musste ich dann einen Sommer lang immer an haben, weil er Glück gebracht hat. Na das war ein Spaß bei der Hitze.“ Mitgemacht hat sie es dennoch: „Die wissen ja alle, dass ich ein wenig bekloppt im Kopf bin.“

„Trinken tue ich nur, wenn ich Bock habe“

Doch dass nicht nur alles immer Spaß ist, hat die 68-Jährige auch schon erfahren: „Als mein Mann vor acht Jahren gestorben ist, da hab ich gemerkt, wie alle zusammenstehen. So viel Unterstützung, mit der ich eigentlich gar nicht gerechnet habe. Da ist mir klar geworden, dass wir bei Hagen 11 wirklich wie eine ganz große Familie sind. Und auch jetzt während dieser ganzen Corona-Zeit rufen ständig Leute an und fragen wie es mir geht, oder bieten an mit mir einkaufen zu fahren. Oder bringen mir Zigaretten vorbei.“ Zigaretten. Nach ihrer Aussage das einzige Laster das sie hat. „Trinken tue ich nur, wenn ich Bock drauf habe.“ Ansonsten knobbelt sie gerne, auch mit ihren Gästen. „Aber nur, wenn die nicht getrunken haben. Betrunkene diskutieren mir zu viel.“

Das neue Vereinsheim

„Ich bleibe hier, bis alles abgerissen wird.“ Es klingt schon fast ein wenig Trotz aus ihrer Stimme. Denn das Vereinsheim am Lohe ist für sie mehr als nur eine Gaststätte. Als nur ein Gebäude. Es ist gespickt mit Erinnerungen. Doch die Tage sind gezählt. Ein neues Vereinsheim am Kunstrasen soll entstehen. An jenem Kunstrasen, der von Irene nur „die grüne Wiese“ genannt wird. Sie ist nicht begeistert von dem Umzug. „So ein neues Vereinsheim, eine neue Gaststätte in krankenhausweiß, das will doch keiner.“ Doch solange sie auch dort hinter der Theke steht, wird ein Stück vom Loheplatz mit umziehen.

Quelle: WP, Linda Sonnenberg 01.05.2020 – 19:21 Uhr